Voller Saal im Strickhof

Volles Haus am ERW-Herbstanlass im Strickhof Winterthur

Der schon traditionelle Herbstanlass ist neben der Generalversammlung der wichtigste Event der Energiewendegenossenschaft Region Winterthur (ERW). Mit über 150 Teilnehmern wurde er auch dieses Jahr diesem Ruf gerecht. Nach einem Networking-Apéro erwartete die Besucher ein spannendes Programm mit hochkarätigen Fachreferaten.

Als Einführung konnte ERW-Co-Geschäftsführer Michael Straub über eine erfreuliche Dynamik der Genossenschaft berichten: Schon im Oktober lag der Umsatz deutlich höher als im ganzen Jahr 2021. Alle Planer und Bauleiter sind voll ausgelastet – nicht wirklich verwunderlich im aktuellen Umfeld. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass die Warteliste von bauwilligen Interessenten lang und länger wird. «Die Lage ist anspruchsvoll – wir passen uns an!» resümierte Michael und konnte dabei auf in diesem Jahr zusätzlich ausgebildete Planer, ein neues und grösseres Lager sowie auf dem Wachstum angepasste interne Strukturen verweisen. An diesen hatten die Planer an einem Workshop am Vormittag auch fleissig gefeilt.

Mitten in ein brisantes Thema eintauchen liess ERW-Planer Lukas Baumgartner die Teilnehmer mit seinem Referat zu Batterie- und Notstromlösungen im Eigenheim. Lukas zeigte die Komplexität hinter einer notstromfähige PV-Anlage auf, ohne bezüglich Verständlichkeit die richtige Flughöhe aus den Augen zu verlieren. Und er brachte das Thema auch mit konkreten Zahlen auf dem Boden: Wenn man grob über den Daumen gepeilt für eine 10 kWp-PV-Anlage netto mit Einmalvergütung rund 14’000 Franken veranschlagen kann, kommt für die Notstromfähigkeit inklusive Batterie nochmals dieselbe Summe dazu. Und das Konzept dahinter will gut durchdacht sein, damit man das erhoffte Resultat hat, sollte es wirklich einmal zu einem Blackout kommen. Das Know-how dafür ist in der Genossenschaft vorhanden und solche Anlagen wurden in der Praxis auch schon erfolgreich umgesetzt.

Die Strompreise schlagen bekanntlich Kapriolen und mancher PV-Besitzer fragt sich, ob er mit der Einspeisevergütung seines Netzbetreibers wirklich marktgerecht entschädigt wird. Und genau dieses Thema bedient die junge Winterthurer Firma Fleco Power. Martin Schröcker als Mitglied der Geschäftsleitung gab einen fundierten Einblick in das Funktionieren der Strombörse und das Angebot der Fleco Power AG. Interessant für alle PV-Betreiber: Als Verbraucher ist man zwar an das lokale Elektrizitätswerk gebunden, beim Einspeisen hat man jedoch freie Wahl des Partners. Konkret kann man frei zu Fleco Power wechseln und von den hohen Marktpreisen von im Moment um die 30 Rappen je kWh profitieren. Dies mit einer im Marktvergleich sehr geringen Marge von rund einem Rappen je kWh. Der Weg zurück zu lokalen EW bleibt dabei offen; es ist verpflichtet, den Einspeise-Strom abzunehmen.

Nochmals vertieft in den Energiemarkt eintauchen konnten die Teilnehmer mit dem abschliessenden Referat von Daniel Koprio mit dem vielversprechenden Titel Ein Tag im Leben eines Energiehändlers. Und diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Mit einem wahren Feuerwerk an Insights, Analysen und Beurteilungen liess Daniel die Teilnehmer an seinem grossen Erfahrungsschatz teilhaben. Interessant zum Beispiel der Aspekt, dass das Ausmass der jetzigen Energiekrise zu einem guten Teil von Corona mit verursacht sein dürfte: Einerseits liess der wirtschaftliche Dämpfer durch Corona die Gaspreise im 2019 in Europa massiv sinken, was zur Folge hatte, dass viel Flüssiggas in China einen neuen Markt fand. Und auch das jetzt massierte Ausfallen der französischen AKWs dürfte in Zusammenhang mit wegen Corona aufgeschobenen Servicearbeiten stehen. Doch hat die ganze aktuelle missliche Lage auch ihre positiven Aspekte für die Energiewende allgemein und die Photovoltaik im Speziellen: Man lernt jetzt auf die harte Tour, dass Atomstrom nicht wie versprochen ein sicherer Wert ist, dass eine dezentrale Versorgung optimaler ist und sich Investitionen im Bereich Photovoltaik in jeder Beziehung lohnen. Trotzdem warnt Daniel vor allzu grossem Energiewende-Überschwang: Die jetzigen hohen Preise können durchaus auch dazu führen, dass fossile Energien wieder stark gepusht werden und dadurch ein Überangebot mit sinkenden Energiepreisen resultiert.

Angesichts der Brisanz dieser Referate war für den zweiten Teil des Apéros bei einem Bier oder Schorle für Gesprächsstoff in Hülle und Fülle gesorgt und die Referenten waren entsprechend gefragt und umschwärmt. Und auch unter den Planern, Genossenschaftern und Interessenten wurden Erfahrungen ausgetauscht und neue Beziehungen geknüpft.

Text: Martin Spaar, Bild: Alfred Bigler